Bedingte Wahrscheinlichkeit - lernen mit Serlo! (2024)

Die (bedingte) Wahrscheinlichkeit von AAA unter der Bedingung BBB ist die Wahrscheinlichkeit, dass AAA eintritt, falls sicher ist, dass BBB schon eingetreten ist.

Man schreibt PB(A)P_B(A)PB(A) oder P(AB)P(A\mid B)P(AB) für die Wahrscheinlichkeit von AAA unter der Bedingung BBB.

PB(A)=P(AB)P(B)P_B\left(A\right)=\frac{P\left(A\ \cap B\right)}{P\left(B\right)}\ PB(A)=P(B)P(AB)(umgeformte erste Pfadregel)

PB(A)P_B\left(A\right)PB(A) wird gelesen als: "Wahrscheinlichkeit von AAA unter der Bedingung BBB"

Die bedingte Wahrscheinlichkeit PB(A)P_B(A)PB(A) ist nur sinnvoll definiert, wenn P(B)0P(B)\neq0P(B)=0 ist.

Beispiele und Abgrenzung von "normaler" Wahrscheinlichkeit

  • Die bedingte Wahrscheinlichkeit für "Die Straße ist nass, wenn es regnet" Pesregnet(Straßenass)P_{\text{es\ regnet}}\left(\text{Straße\ nass}\right)Pesregnet(Straßenass) ist nahe 1 (Es gibt nur einige wenige Straßen, die überdacht sind.)Die Wahrscheinlichkeit für "Die Straße ist nass." P(Straßenass)P\left(\text{Straße\ nass}\right)P(Straßenass) (normale Wahrscheinlichkeit) ist deutlich unter 1 (je nach geographischer Lage).

  • Die bedingte Wahrscheinlichkeit für "lange Haare bei Frauen" PFrau(langeHaare)P_{\text{Frau}}\left(\text{lange\ Haar}e\right)PFrau(langeHaare)ist deutlich höher als die Wahrscheinlichkeit für "lange Haare" P(langeHaare)P\left(\text{lange\ Haare}\right)P(langeHaare)

  • Ein Tetraeder (Zahlen 1-4) und ein Würfel (Zahlen 1-6) werden zufällig aus einer Urne gezogen und geworfen. Die Wahrscheinlichkeit für "1" berechnet man mit P(1)=0.514+0.516=18+112=524P\left(1\right)=0.5\cdot\frac{1}{4}+0.5\cdot\frac{1}{6}=\frac{1}{8}+\frac{1}{12}=\frac{5}{24}P(1)=0.541+0.561=81+121=245Die bedingte Wahrscheinlichkeit "1, wenn ich weiß, dass der Tetraeder gezogen wurde" berechnet man mit PTetraeder(1)=14P_{\text{Tetraeder}}\left(1\right)=\frac{1}{4}PTetraeder(1)=41.

Ein ausführliches Beispiel

Bedingte Wahrscheinlichkeit - lernen mit Serlo! (1)

Ein Spielwürfel hat die Augenzahlen von 1 11 bis 666, die bei einem Wurf alle die gleiche Wahrscheinlichkeit 16\dfrac{1}{6}61 haben.

Wir nehmen jetzt zwei Ereignisse:

Bedingte Wahrscheinlichkeit - lernen mit Serlo! (2)

Ereignis AAA: die geworfene Augenzahl ist durch drei teilbar, es ist also eine 333 oder eine 666.

Bei sechs möglichen Fällen und zwei Fällen, in denen das Ereignis eintritt, ist die Wahrscheinlichkeit P(A)=26P(A)=\frac{2}{6}P(A)=62 oder nach Kürzen P(A)=13P(A)=\frac{1}{3}P(A)=31.

Bedingte Wahrscheinlichkeit - lernen mit Serlo! (3)

Ereignis BBB: die geworfene Augenzahl liegt zwischen 1 1 1 und 444.

Da es sechs mögliche und vier Fälle, in denen das Ereignis eintritt, gibt, ist die Wahrscheinlichkeit P(B)=46P(B)=\frac{4}{6}P(B)=64 oder nach Kürzen P(B)=23.P(B)=\frac{2}{3}.P(B)=32.

Berechnung der bedingten Wahrscheinlichkeit: 1. Weg

Jetzt berechnen wir die Wahrscheinlichkeit von AAA unter der Bedingung, dass auch BBB eintritt. Das schreibt man als PB(A)P_B(A)PB(A) oder als P(AB)P(A|B)P(AB).

Bedingte Wahrscheinlichkeit - lernen mit Serlo! (4)

Weil BBB eintritt, ist die Grundmenge der möglichen Fälle jetzt nur noch {1,2,3,4}\{1, 2, 3, 4\}{1,2,3,4}.

Bedingte Wahrscheinlichkeit - lernen mit Serlo! (5)

Das Ereignis AAA tritt ein bei einer 333 oder einer 6 66, wobei die 6 66 aber sicher ausgeschlossen ist.

Bedingte Wahrscheinlichkeit - lernen mit Serlo! (6)

Die einzige Möglichkeit, dass das Ereignis AAA eintritt ist also, dass die 33 3 geworfen wird.

Wir haben hier vier mögliche Fälle und nur einen, in dem das Ereignis AAA eintritt. Das bedeutet, dass die bedingte Wahrscheinlichkeit von AA A unter der Bedingung BBB gleich 14\frac{1}{4}41 ist: PB(A)=14P_B(A)=\frac{1}{4}PB(A)=41.

Berechnung der bedingten Wahrscheinlichkeit: 2. Weg

Dass die Ereignisse AAA und BBB beide eintreten, schreibt man als ABA \cap BAB (eben dem Durchschnitt der Ereignismengen). Genau wie gerade sieht man, dass das einzige Ereignis AB={3}A\cap B =\{3\}AB={3} ist. Die Wahrscheinlichkeit, eine 333 zu werfen, ist (wie für jede einzelne Zahl) 16\frac{1}{6}61.

Daraus und aus P(B)=23P(B)=\frac{2}{3} P(B)=32 kann man jetzt PB(A)P_B(A)PB(A) berechnen:

Wenn P(B)=23P(B)=\frac{2}{3}P(B)=32 ist, muss diese Zahl mit PB(A)P_B(A)PB(A) multipliziert werden, damit auch das Ereignis AAA eintritt. Dann sind aber beide Ereignisse AAA und BBB eingetreten, das heißt, man ist im Fall ABA\cap BAB.

Man kann die Gleichung

nach PB(A)P_B(A)PB(A) auflösen und erhält

In diesem Beispiel ist PB(A)=P(AB)P(B)=1/62/3=1632=312=14.P_B(A)=\dfrac{P(A\cap B)}{P(B)}=\dfrac{1/6}{2/3}=\dfrac{1}{6}\cdot\dfrac{3}{2}=\dfrac{3}{12}=\dfrac{1}{4}.PB(A)=P(B)P(AB)=2/31/6=6123=123=41.

Zusammenfassung

Wenn man zwei der drei Wahrscheinlichkeiten P(B)P(B)P(B), P(AB)P(A\cap B)P(AB) und PB(A)P_B(A)PB(A) kennt, kann man die dritte durch Umstellen der Formel berechnen:

  • PB(A)=P(AB)P(B)\displaystyle P_B(A)=\frac{P(A\cap B)}{P(B)}PB(A)=P(B)P(AB) Berechnung der bedingten Wahrscheinlichkeit von AAA unter der Bedingung BBB

  • P(AB)=P(B)PB(A)P(A\cap B)= P(B)\cdot P_B(A)P(AB)=P(B)PB(A)Berechnung der Wahrscheinlichkeit, dass AAA und B BB beide eintreten

  • P(B)=P(AB)PB(A)\displaystyle P(B)=\frac{P(A\cap B)}{P_B(A)}P(B)=PB(A)P(AB) Berechnung der Wahrscheinlichkeit von BBB

Aufgabe

Jetzt kannst du überprüfen, wie gut du das Beispiel verstanden hast: Berechne PA(B)P_A(B)PA(B) sowohl direkt als auch mit einer passenden Formel.

Häufige Fälle

Folgende Wahrscheinlichkeiten sind immer voneinander zu unterscheiden:

  • PB(A)P_B(A)PB(A) bezeichnet die Wahrscheinlichkeit von AAA unter der Bedingung BBB.d. h., man weiß bereits sicher, dass BBB zutrifft bzw. eingetreten ist, aber bezüglich AAA weiß man es nicht und fragt nach der Wahrscheinlichkeit von AAA.

  • PA(B)P_A(B)PA(B) bezeichnet die Wahrscheinlichkeit von BBB unter der Bedingung AAA.d. h., man weiß bereits sicher, dassAAA zutrifft bzw. eingetreten ist, aber bezüglichBBB weiß man es nicht und fragt nach der Wahrscheinlichkeit von BBB.

  • P(AB)P(A\cap B) P(AB) bezeichnet die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses „AAA und zugleich BBB“.d. h., man hat keine zusätzlichen Informationen und fragt nach der Wahrscheinlichkeit, mit der AAA und BBB gemeinsam eintreten.

Frage: Sei A AA ein beliebiges Ereignis. Wie groß ist PA(A) P_A(A)PA(A) und PA(A)P_A(\overline{A})PA(A)?

Schreib- und Sprechweisen

Man schreibt PB(A)P_B(A)PB(A) oder P(AB)P(A\mid B)P(AB) für die Wahrscheinlichkeit von AAA unter der Bedingung BBB.

Bedingte Wahrscheinlichkeit - lernen mit Serlo! (7)

Alternative Sprechweisen:

  • AAA unter der Bedingung BBB

  • AAA, wenn BBB

  • „Wahrscheinlichkeit von AAA, wenn BBB eingetreten ist“

  • AAA gegeben BBB

Definition

Die bedingte Wahrscheinlichkeit ist wie folgt definiert:

Die bedingte Wahrscheinlichkeit am Baumdiagramm

Die bedingte Wahrscheinlichkeit kann ganz einfach am Baumdiagramm dargestellt werden:

Bedingte Wahrscheinlichkeit - lernen mit Serlo! (8)

In einem zweistufigen Zufallsexperiment können in der ersten Stufe die Ereignisse AAA und BBB eintreffen, in der der zweiten Stufe die Ereignisse CCC und DDD.

Am dargestellten Baum kann man erkennen, dass die bedingten Wahrscheinlichkeiten in der zweiten Stufe zu finden sind. Sie hängen (bei Abhängigkeit) von der ersten Stufe ab.

Folgende Gleichungen gelten:

P(AC)=P(A)PA(C)P\left(A\cap C\right)=P\left(A\right)\cdot P_A\left(C\right)P(AC)=P(A)PA(C) (erste Pfadregel)

P(C)=P(A)PA(C)+P(B)PB(C)P\left(C\right)=P\left(A\right)\cdot P_A\left(C\right)+P\left(B\right)\cdot P_B\left(C\right)P(C)=P(A)PA(C)+P(B)PB(C) (zweite Pfadregel)

Bedingte Wahrscheinlichkeit und Vierfeldertafel

Selbstverständlich kann man auch eine Vierfeldertafel erstellen, um alle Wahrscheinlichkeiten zu bekommen, die man benötigt, um P(AB)=P(AB)P(B)P(A\mid B)=\frac{P(A\cap B)}{P(B)}P(AB)=P(B)P(AB) auszurechnen.\rightarrowBeispielaufgabe mit ausführlicher Musterlösung

Bedingte Wahrscheinlichkeit und stochastische Unabhängigkeit

Weiß man, dass zwei Ereignisse stochastisch unabhängig sind, so vereinfacht sich P(AB){P(A\cap B)}P(AB) zu P(A)P(B)P(A)\cdot P(B)P(A)P(B).In diesem Fall ergibt sich für P(AB)=P(AB)P(B)=P(A)P(B)P(B)=P(A)P(A\mid B)=\frac{P(A\cap B)}{P(B)}= \frac{P(A)\cdot P(B)}{P(B)} = P(A)P(AB)=P(B)P(AB)=P(B)P(A)P(B)=P(A).Im Umkehrschluss: Unterscheiden sich P(AB)P(A\mid B)P(AB) und P(A)P(A)P(A), so folgt, dass AAA und BBB stochastisch abhängig sind.

Wichtige Sätze

Aus der Definition und mithilfe der Pfadregeln lassen sich wichtige Sätze für die bedingte Wahrscheinlichkeit ableiten:

Multiplikationssatz

P(AB)=P(AB)P(B)P(A\cap B)=P(A\mid B)\cdot P(B)P(AB)=P(AB)P(B)

Gesetz der totalen Wahrscheinlichkeit

P(B)=P(A)P(BA)  +  P(A)P(BA)P(B)=P(A)\cdot P(B\mid A)\;+\;P(\overline A)\cdot P(B\mid\overline A)P(B)=P(A)P(BA)+P(A)P(BA)

mit der Verallgemeinerung: P(B)=iP(Ai)P(BAi)P(B)=\sum_iP(A_i)\cdot P(B\mid A_i)P(B)=iP(Ai)P(BAi)

Satz von Bayes

P(AB)=P(BA)P(A)P(B)P(A\mid B)=\dfrac{P(B\mid A)\cdot P(A)}{P(B)}P(AB)=P(B)P(BA)P(A)

Weiterer Satz

P(AB)+P(AB)=1P(A\mid B)+P(\overline A\mid B)=1P(AB)+P(AB)=1

Beispiel:

Angenommen, ein bestimmtes Merkmal AAA trete bei 2  %2\;\%2% aller neugeborenen Mädchen und bei 8  %8\;\%8% aller neugeborenen Jungen auf.

Folgende Ereignisse sollen betrachtet werden:

AAA: „Das Kind hat das Merkmal AAA.“

JJJ: „Das Kind ist ein Junge.“

Es soll davon ausgegangen werden, dass es gleich viel Jungen- wie Mädchengeburten gibt. Dann gilt:

PJ(A)=8%P_J(A)=8\,\%PJ(A)=8%, denn laut Angabe tritt Merkmal AAA ja bei 8  %8\;\%8% aller neugeborenen Jungen auf.

P(AJ)=4%,P(A\cap J)=4\,\%,P(AJ)=4%, denn da nur 50  %50\;\%50% der neugeborenen Kinder Jungen sind und unter den Jungen nur 8  %8\;\%8% das Merkmal AAA haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein beliebiges Kind ein Junge ist, der das Merkmal AAA hat, gleich 4  %4\;\%4%.

PA(J)=80%P_A(J)=80\,\% PA(J)=80%, denn das Merkmal betrifft Jungen viermal so oft wie Mädchen; wenn man also weiß, dass ein bestimmtes Kind das Merkmal AAA hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit 80%80\,\%80%, dass das Kind ein Junge ist.

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